Von mutigen Schritten auf der Rennstrecke bis zur Neugestaltung des Motorsports: Susie Wolff hat nie einfach nur das Gaspedal gedrückt – sie hat Spuren hinterlassen. Als erste Frau seit über 20 Jahren nahm sie 2014 an einem Formel-1-Rennwochenende teil. Heute gestaltet sie den Motorsport von ganz oben: erst als Teamchefin, dann als CEO von Monacos Formel-E-Team, inzwischen als Managing Director der F1 Academy – der Nachwuchsserie der Formel 1 für junge Fahrerinnen.
Ihr Ziel: mehr Sichtbarkeit, echte Chancen und nachhaltige Veränderung für Frauen im Rennsport. Mit einer neuen Netflix-Serie über aufstrebende Talente bringt sie genau diese Themen ins Rampenlicht. Wir haben mit unserer Woman of Purpose über Haltung, Ambition – und eine motorsportliche Zukunft gesprochen, die keine Klischees mehr braucht.
Sie galten stets als eine der überzeugendsten Fürsprecherinnen für Frauen im Motorsport – von der Gründung von Initiativen wie Dare to Be Different bis hin zur Leitung der F1 Academy. Welche Rolle spielen weibliche Vorbilder – wie Sie selbst – für die nächste Generation?
Ich habe schon immer daran geglaubt, dass es wichtig ist, etwas zurückzugeben – sozusagen den Staffelstab weiterzureichen. Mir war es ein Anliegen, die Erfahrungen, die ich gemacht habe – auch meine Fehler – mit anderen zu teilen, damit sie daraus lernen können und nicht dieselben machen müssen. Vor allem aber wollte ich jungen Frauen eine echte Chance geben – denn manchmal ist genau das alles, was es braucht. Ich hatte das Glück, in meiner Karriere ein paar entscheidende Chancen zu bekommen, die ihren Verlauf grundlegend verändert haben.
Wenn Menschen mich als Vorbild sehen, ist das für mich eine echte Verantwortung. Ich möchte den Weg für diejenigen, die nach mir kommen, ein Stück leichter machen – weil ich mit ganzem Herzen für den Motorsport brenne und in der nächsten Generation unglaublich viel Talent sehe. Je mehr junge Frauen wir für den Sport gewinnen können, desto grösser ist die Chance, dass die Besten ganz nach oben kommen – und das kommt dem gesamten Motorsport zugute.
Dare to be Different, der Name Ihrer ersten Initiative, ist zu einem starken Leitspruch Ihrer Karriere geworden. Wie sehr identifizieren Sie sich persönlich mit dieser Idee?
Ich habe es schon immer geliebt, gegen den Strom zu schwimmen. Ich habe mich für eine Laufbahn in einer Branche – und in einem Sport – entschieden, die traditionell stark männlich geprägt sind. Alle sagten mir, ich müsse studieren, einen Abschluss machen. Aber nach einem Jahr habe ich das Studium abgebrochen, um meinem Traum zu folgen und Rennfahrerin zu werden.
Ich denke, wir bekommen zu oft gesagt, was von uns erwartet wird – was gesellschaftlich als „normal“ gilt, was man angeblich tun sollte. Aber manchmal muss man den Mut haben, anders zu sein. Man muss seinen eigenen Weg gehen. Denn am Ende ist jede:r selbst verantwortlich für das eigene Glück.
Und die F1 Academy, Ihre Netflix-Dokuserie – können Sie uns etwas mehr über die dahinterstehende Mission erzählen?
Wir wollten die menschlichen Geschichten der Fahrerinnen sichtbar machen – ihre Wege in den Sport und die Hürden, die sie überwinden mussten. Ich bin wirklich stolz auf die Serie und ich hoffe, dass sie Menschen dazu inspiriert, den Motorsport mit neuen Augen zu sehen. Es ist längst keine reine Männerwelt mehr. Das ist eine grossartige Gelegenheit, ein ganz neues Publikum zu erreichen und eingefahrene Denkmuster zu hinterfragen.
Im Motorsport ist es oft das Risiko, das gute von herausragenden Fahrer:innen unterscheidet. Wie haben Sie gelernt, unter Druck auf Ihr Bauchgefühl zu vertrauen?
Ich war schon in sehr jungen Jahren im Sport aktiv und bin mit dem Leistungsdruck aufgewachsen. Auf der Strecke bist du ganz auf dich allein gestellt – und es liegt an dir, gute Leistungen zu erbringen. Mit der Zeit habe ich gelernt, nicht nur mit diesem Druck umzugehen, sondern ihn für mich zu nutzen. Ich sehe ihn heute nicht mehr als etwas Negatives. Ich habe gelernt, Nervosität in etwas Produktives zu verwandeln.
Auf das eigene Bauchgefühl zu hören, ist entscheidend. Es erfordert Mut – denn der Instinkt führt einen nicht immer auf den leichtesten Weg, aber ich glaube fest daran, dass er einen auf den erfüllendsten Weg bringt.
Sie haben oft betont, dass im Motorsport die Leistung mehr zählen sollte als das Geschlecht. Wie sind Sie zu dieser Überzeugung gelangt?
Ich habe schon früh erkannt, dass es viel zu viel Aufmerksamkeit darum gab, dass ich die einzige Frau war – also blieb mir nichts anderes übrig, als mich ganz auf die Leistung zu konzentrieren. Ich habe versucht, all das auszublenden und mich nur darauf zu fokussieren, mein Bestes zu geben.
Sport ist etwas sehr Reines – er ist objektiv. Es gibt ein Ergebnis und eine Stoppuhr – und die lügen nie. Genau das habe ich am Sport immer geschätzt: Er ist eindeutig. Deine Leistung spricht für sich und zeigt dir unmissverständlich, ob du gute Arbeit geleistet hast – oder eben nicht.
Wenn Sie Ihrem jüngeren Ich oder jungen Frauen, die im Motorsport anfangen, einen einzigen Ratschlag geben könnten – welcher wäre das?
Glaube an dich selbst. Gerade wenn dir noch die Erfahrung fehlt – und das Selbstvertrauen, das oft erst mit den Jahren kommt – zweifelst du vielleicht an deinen eigenen Fähigkeiten. Du fragst dich womöglich sogar, ob du die Chancen, die sich dir bieten, überhaupt verdient hast. Aber: Glaube an dich. Denn wenn du es nicht tust, wird es umso schwerer, andere davon zu überzeugen.
Performance, Purpose, Passion – was treibt Sie am meisten an und warum?
Performance – weil sie am kraftvollsten ist. Wenn du Leistung bringst, hast du in jeder Situation Einfluss und Handlungsspielraum. Aber ich glaube auch, dass echte Performance nur entsteht, wenn man etwas mit Leidenschaft tut. Man muss mit ganzem Herzen bei der Sache sein. Und wenn man etwas macht, das einen wirklich begeistert, fällt es leicht, jeden Tag sein Bestes zu geben und ganz man selbst zu sein.
Am Ende gibt es im Sport immer nur eine:n Sieger:in. Was lernt man aus dem Scheitern?
Ich habe das Scheitern nie zu meinem Freund gemacht – aber ich wusste immer, dass ich mich gerade in den schwierigen Momenten am stärksten weiterentwickelt habe. Dass ich dort am meisten gelernt habe. Rückblickend waren es oft die härtesten Phasen meiner Karriere, aus denen die wichtigsten Lektionen hervorgegangen sind.
Als unsere Woman with Purpose – was bedeutet es für Sie persönlich, einen Sinn und ein Ziel zu haben, und wie hat dieser innere Antrieb Ihren Weg geprägt?
Ich hatte das grosse Glück, zwei wunderbare Eltern zu haben, die mir die Welt des Motorsports eröffnet und mir – schon als kleines Mädchen – das Gefühl gegeben haben, dass ich alles erreichen kann, was ich mir vornehme. Dieses innere Ziel, dieser Purpose, hat mich mein ganzes Leben lang angetrieben. Und auch heute, obwohl ich nicht mehr selbst im Cockpit sitze, wache ich jeden Tag mit einem klaren Fokus auf. Ich habe langfristige Ziele, kurzfristige Ziele – und ich sorge dafür, dass ich jeden Tag mit einem klaren Sinn, einer klaren Richtung angehe: Was will ich erreichen, und wie will ich es erreichen.



